Die Henschelvillen

Im östlichen Teil des oberen Weinbergs lies der Lokomotivfabrikant Oskar Henschel 1868 - 1870 eine Villa errichten. Die Industiellen Familie Henschel vergrößerte ihr Weinberggrundstück 1887 - 1901 durch weitere Ankäufe. Nach dem Bau der Stützbogenmauern an der Frankfurter Straße (1903) wurde auf dem westlichen Weinberg das Haus Henschel gebaut, eine riesige Villa. Erst die Inflation, dann die Weltwirtschaftskrise. Die Firma Henschel war ein Spiegel der Entwicklung. Für Oskar Henschel war im Jahr 1931 ein Punkt erreicht, an dem auch im privaten Vermögen eine Zäsur nötig schien.


Am 4. Dezember 1931 erschien im Kasseler Tageblatt eine Meldung, die für reichlich Gesprächsstoff sorgte: „Wir erhalten soeben die Nachricht, die den Wandel der Zeiten besser illustriert als tausend andere Dinge, die sonst an unser Ohr dringen. Wie wir hören, hat Herr Oskar Henschel den Antrag gestellt, seine große Villa, die seinerzeit von seinem Vater mit erheblichem Kostenaufwand gebaut wurde, abzureißen. Als Grund für die Absicht, dieses hervorragend schöne Gebäude dem Erdboden gleichzumachen, wird die übermäßig hohe Hauszinssteuer und die Unmöglichkeit, zur Zeit einen Käufer für das Grundstück zu finden, angegeben.“

Die Nachricht war ein Schock, denn immerhin ging es um das wohl prachtvollste Privatgebäude der Stadt. Doch Oskar Robert Henschel ließ sich nicht umstimmen. Er ärgerte sich über die steuerliche Belastung von 33 000 Mark im Jahr für eine Villa, in der nach dem Auszug seiner Stiefmutter ohnehin niemand mehr wohnte. Die Stadt wollte das Gebäude auch nicht übernehmen. Die hatte zu dieser Zeit ganz andere Sorgen. Wegen der Absatzschwierigkeiten für Lokomotiven hatte Henschel die Produktion vorübergehend komplett eingestellt, bei Credé und anderen großen Firmen sah es nicht besser aus.

Die Arbeitslosenzahlen in Kassel waren innerhalb weniger Jahre von 2500 auf 33.700 gestiegen. Hochkonjunktur hatten nur die Volksküchen. Vom Kaufmann, dem die Wirtschaftskrise die Existenz zerstört hatte, über den Handwerker, der keine Aufträge mehr bekam, bis zum Arbeiter, der nicht mehr gebraucht wurde, standen sie alle in der Schlange für die Essensausgabe an Bedürftige.

Der Abriss der Henschel-Villa im Jahr 1932 war ein Symbol für den wirtschaftlichen Niedergang. Es heißt, dass die exklusive Marmorbadewanne im Boden noch vorhanden sein könnte. 


Im Folgenden finden sie ein paar historische Zeitungsausschnitte aus der HNA zum Thema